Das Recht der Versicherung, den Versicherungsvertrag anzufechten, zu kündigen, oder von ihm zurückzutreten, besteht nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherten soll der Versicherung vor Vertragsschuss eine zutreffende Risikoermittlung, sowie eine angemessene Gestaltung der Versicherungsprämie ermöglichen. In diesem Kontext ist der zukünftige Versicherungsnehmer verpflichtet, der Versicherung jegliche für den Vertragsschluss erhebliche Tatsachen anzuzeigen (beispielsweise das Bestehen von chronischen Krankheiten). Verletzt der Versicherungsnehmer diese Pflicht, liegen Falschangaben vor.
An diese Falschangaben knüpft das Versicherungsvertragsgesetz eine Reihe von komplexen Normen an, die die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung regeln. Je nachdem, ob der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht schuldlos, einfach oder grob fahrlässig, vorsätzlich oder arglistig verletzt hat, kommen der Versicherung unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu.
Im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2008 wurden auch die Regelungen über Rücktritt, Anfechtung und Kündigung des Versicherungsvertrages grundlegend modifiziert. Die neue Gestaltung ist sehr komplex und verwoben. Neben dem Blick ins Gesetz lohnt sich in diesem Falle stets auch der Blick in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfäigkeits- und die (Risiko-) Lebensversicherung. Denn dort bringen ganze 17 Absätze ein wenig Licht ins Dunkle.
Für die nach dem Jahr 2008 geschlossenen Versicherungsverträge gilt das VVG vollumfänglich. Handelt es sich jedoch um einen vor 2008 geschlossenen Altvertrag, so kommt es für die Frage, ob eine Anzeigepflichtverletzung tatsächlich besteht, auf die alten Regelungen an. Lediglich die Rechtsfolgen richten sich dann nach dem neuem VVG (sogenanntes Spaltungsmodell).
Für den Versicherten am fatalsten sind die Fälle, in denen die Versicherung vom Vertrag zurücktritt, oder diesen anficht. Denn dann gilt die Rechtsfolge der sogenannten „ex tun Nichtigkeit“ - der Versicherungsvertrag gilt als von Anfang an nichtig. Nach alter Rechtsprechung galt das Prinzip der Unteilbarkeit der Prämien. Danach stand der Versicherung im Falle der Arglistanfechtung die Prämie bis zum Ende der Versicherungsperiode zu, in der sie Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangte. Heute darf die Versicherung lediglich die Prämie bis zum wirksamwerden der Anfechtungserklärung - mit Zugang beim Versicherten - einbehalten.
Ein Anfechtungsrecht der Versicherung besteht, wenn der Versicherte Tatsachen verschwiegen hat, die für den Vertragsschluss erheblich waren, bei deren Kenntnis also die Risikoermittlung und Prämienberechnung durch die Versicherung anders ausgefallen wäre.
Liegt keine arglistige, sondern lediglich eine vorsätzliche oder grob Fahrlässige Verletzung der Anzeigepflicht durch den Versicherten vor, so bleibt der Versicherung die Möglichkeit zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Dieses Recht ist immer dann eingeschränkt, wenn die Versicherung den Vertrag auch in Kenntnis der wahren Tatsachen geschlossen hätte. In diesen Fällen besteht lediglich das Recht auf Vertragsanpassung.
Eine einfach fahrlässige oder gar schuldlose Verletzung der Anzeigepflicht schließt den Rücktritt gänzlich aus. Der Versicherung bleibt dann nur, den Versicherungsvertrag mit einer Frist von einem Monat für die Zukunft zu kündigen.
Rücktritt, und Kündigung müssen vom Versicherungsgeber schriftlich begründet, und binnen eines Monat nach Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung geltend gemacht werden (sogenannte Handlungsfrist). Zusätzlich legt das Gesetz Ausschlussfristen fest, nach deren Ablauf die Geltendmachung solcher Pflichtverletzungen gänzlich ausgeschlossen ist. Bei arglistigen Falschangaben durch den Versicherten, bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, beträgt die Ausschlussfrist 10 Jahre. Ansonsten bleiben der Versicherung lediglich 5 Jahre Zeit.
Das Rücktritts- und Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die Versicherung den Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss nicht durch eine gesonderte schriftliche Mitteilung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt hat.
Je nach dem, um welchen Umstand es konkret geht, liegt die Beweislast entweder beim Versicherten, oder auf der Seite der Versicherung. Geht es um die Anfechtungsgründe oder die Pflichtverletzung selbst, oder um die Einhaltung der Handlungsfrist, ist die Versicherung für die Darlegung der Beweise zuständig. Steht eine Vertragsanpassung im Raum, so muss der Versicherte beweisen, dass der nicht angezeigte Umstand keine Vertragsversagung zur Folge gehabt hätte. Da ein solcher Beweis nur möglich ist, wenn der Versicherte die Kriterien kennt, anhand derer die Versicherung die Risiken des Vertragsschlusses prüft, müssen die Risikoprüfungsgrundätze dem Versicherten in einem solchen Fall offen gelegt werden. Bezüglich einer Verfristung des Rücktritts, oder sonstiger, den Rücktritt verhindernder Umstände, ist der Versicherte Beweispflichtig.