Im Prozess ist das Gericht für die Auswahl und Ernennung des Sachverständigen zuständig. Auf die Auswahl des Sachverständigen an sich haben demnach weder die Versicherung noch der Versicherte einen direkten Einfluss. Dennoch gibt es Möglichkeiten, den vom Gericht ernannten Sachverständigen zum Beispiel wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Je nachdem, ob der Sachverständige bereits tätig wurde oder nicht, gelten für den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen unterschiedliche Voraussetzungen.
In der Konstellation, in der der Sachverständige zwar bereits vom Gericht ernannt wurde, jedoch noch kein Gutachten erstellt hat, gibt es Folgendes zu beachten: Ein Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit muss vor der Vernehmung, spätestens binnen zwei Wochen nach der Verkündung der Ernennung des Sachverständigen erfolgen.
Ein Antrag auf Ablehnung vor dem Tätigeren des Sachverständigen kommt immer dann infrage, wenn eine Partei bereits durch eigenes Wissen Gründe vortragen kann, die geeignet sind, die Neutralität des Sachverständigen anzuzweifeln. Insofern empfiehlt es sich stets, nach der Ernennung des Sachverständigen vom Gericht eigene Nachforschungen über dessen Person anzustellen. Das Augenmerk ist dabei auf mögliche fachliche oder persönliche Beziehungen des Sachverständigen zum Prozessgegner zu legen. Eine solche Beziehung besteht beispielsweise dann, wenn der Sachverständige zuvor bereits für die Gegenseite tätig wurde, oder eine persönliche Verbindung zu ihr besteht.
Aber auch Äußerungen des Sachverständigen, die dieser nach der Ernennung aber vor der Begutachtung tätigt, können eine Befangenheit begründen. Gibt der Sachverständige durch seine Äußerungen zu erkennen, dass er von einzelnen Beweisthemen nichts hält, oder liefert er der Klage eine zusätzliche Grundlage, indem er Hinweise gibt, die mit dem Gutachten an sich nichts zu tun haben, List die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt.
Häufig kommt es auch vor, dass erst der Inhalt des Gutachtens selbst Anlass dazu gibt, an der Neutralität des Sachverständigen zu zweifeln. In diesem Fall gibt es ebenfalls bestimmte Fristen, innerhalb derer die Parteien einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen stellen können.
Diesbezüglich gilt eine zweiwöchige Frist. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Partei das Gutachten zugestellt wird. Es ist also in jedem Fall ratsam, sich innerhalb der ersten zwei Wochen sorgfältig mit dem Gutachten auseinanderzusetzen.
Zusätzlich muss die antragsteilende Partei glaubhaft machen, dass sie den Ablehnungsgrund nicht früher hätte geltend machen können, und das unverschuldet.
Auch andere Gründe können einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit begründen. Die Zweifel an der Neutralität müssen sich also nicht immer aus dem Gutachten selbst, oder aus den fachlichen oder persönlichen Beziehungen des Sachverständigen zur Gegenpartei ergeben. Es ist auch denkbar, dass der Sachverständige beispielsweise im Rahmen seiner persönlichen Anhörung Bemerkungen fallen lässt, die geeignet sind, Zweifel an seiner Neutralität zu hegen.
Nicht immer folgt aus dem Vorliegen solcher Bemerkungen auch die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Ging der Äußerung des Sachverständigen eine rechtsmissbräuchliche Provokation voran, oder steht eindeutig fest, dass der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung noch neutral eingestellt war, darf das Gutachten im Prozess weiter verwendet werden.
Die Befangenheit des Sachverständigen wurde in Fällen bejaht, in denen dieser eine besondere berufliche Nähe zu einer Partei hatte, in denen der Sachverständige eigenmächtige Ermittlungen durchführte, ohne eine Partei hinzuzuziehen, oder in denen er eine Orts- und Sachbesichtigung in Anwesenheit nur einer Partei durchführte (OLG Jena, Beschl. v. 3.9. 2009; LG Wuppertal, Beschl. v. 22.6.2006; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.4.2007).
Abgelehnt wurde die Befangenheit des Sachverständigen, der in einem wirtschaftlich geringen Umfang irgendwann im Vorfeld einmal für den beklagten Versicherer tätig wurde, oder der eine nur berufliche Bekanntschaft zum Chefarzt des in den Rechtsstreit verwickelten Oberarztes pflegten (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2012; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.9.2007).