Die Berufsunfähigkeitsversicherung zählt neben der Unfallversicherung zu den bekanntesten vertraglichen Versicherungen zum Zwecke der Invaliditätsabsicherung. Sie kann als Zusatzversicherung zu einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung, oder als selbständige Versicherung ausgestaltet sein.
Gesetzlich existierte der Begriff der Berufsunfähigkeitsversicherung nur im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese entfaltete ihre Geltung für vor dem 2. Januar 1961 geborene Personen. Für alle nach diesem Stichtag Geborenen, war vom Gesetzgeber lediglich ein begrenzter gesetzlicher Schutz, im Rahmen der Erwerbsunfähigkeit, vorgesehen. Im Jahr 2000 wurde dieser gesetzliche Berufsunfähigkeitsschutz durch die Einführung der zweistufigen Erwerbsminderungsrente endgültig abgeschafft.
Nun gilt: Vor dem Stichtag Geborene erhalten aus Gründen des Vertrauensschutzes eine halbe Erwerbsminderungsrente, wenn sie in Folge von Krankheit oder Behinderung in ihrem Beruf nicht mehr als 6 Stunden täglich arbeiten können (§ 240 SGB VI). Für nach dem Stichtag Geborene ist die Berufsunfähigkeit gesetzlich nicht mehr abgesichert.
Aufgrund des geringen gesetzlichen Schutzes schließen immer mehr Menschen eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Das statistische Bundesamt verzeichnet in 30 % aller erwerbstätigen Haushalte eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine solche Versicherung verspricht Leistungen für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Beginn der Vertragslaufzeit berufsunfähig wird. Meist ist im Versicherungsvertrag ein bestimmter Grad der Berufsunfähigkeit vorgesehen, der für eine Leistungspflicht der Versicherung mindestens vorliegen muss (in der Regel 50 %).
Der Begriff der „Berufsunfähigkeit“ im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung ist ein eigenständiger Rechtsbegriff, der durch medizinische Aspekte geprägt ist. Berufsunfähigkeit ist meist nicht deckungsgleich zu Dienst- oder Erwerbsunfähigkeit zu verstehen. Die konkrete Definition des Berufsunfähigkeitsbegriffs richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages. Hilfsweise werden die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) herangezogen.
Auch, wenn der Begriff der Berufsunfähigkeit also vertragsabhängig unterschiedlich definiert sein kann, findet sich in § 172 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes eine allgemeine Definition mit Leitbildcharakter. Danach gilt als berufsunfähig, „wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“
Zu beachten ist, dass zusätzlich zu dieser allgemeinen Definition häufig einschränkende vertragliche Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen existieren - beispielsweise die sogenannte „Beamtenklausel“. Diese bestimmt in der Regel, dass als berufsunfähig auch ein Beamter gilt, der im öffentlichen Dienst arbeitete und in den Ruhestand versetzt oder entlassen wurde. Da verschiedene Formulierungen von Beamtenklauseln existieren, empfiehlt es sich, beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung genauestens darauf zu achten, welche Beamtenklausel am vorteilhaftesten für den Versicherten formuliert ist.
Vom Gesetzgeber nicht geregelt, ist unter anderem die erforderliche Mindestdauer der Berufsunfähigkeit, oder der konkrete Beginn der Leistungspflicht. Manche Versicherungsverträge stellen für den Beginn der Leistungspflicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ab. Andere knüpfen an den Zeitpunkt der Anzeige der Berufsunfähigkeit an. All diese Aspekte bleiben der vertraglichen Vereinbarung überlassen.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine sogenannte Summenversicherung. Das bedeutet, dass die Leistungspflicht der Versicherung nicht von einem tatsächlich auftretenden Schaden beim Versicherungsnehmer abhängt. Stattdessen ist die Versicherung auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherte durch den Eintritt der Berufsunfähigkeit keine oder nur minimale Einkommenseinbußen erleidet. Im Rahmen des Berufsunfähigkeitsversicherungsrechts gilt insofern das schadensrechtliche Bereicherungsverbot nicht. Folglich scheidet dann auch ein gesetzlicher Übergang von Ersatzansprüchen aus.
Ist die Berufsunfähigkeit also durch einen Dritten verursacht worden, so kann die Versicherung keinen Regress bei diesem nehmen (BGH Urt. v. 13.12.2000 IV ZVR 279/99; NJW-RR 2001, 1467).
Relevant für jede Prüfung im Recht der Berufsunfähigkeit ist stets der zuletzt vom Versicherungsnehmer ausgeübte Beruf. Dabei ist nicht der typische Beruf, oder das durchschnittliche Einkommen maßgebend. Vielmehr kommt es auf die tatsächlichen Bedingungen an, durch die der Beruf des Versicherten im Einzelfall geprägt war.
Die Ausgestaltung Leistung, die der Versicherte im Versicherungsfall erhält, bleibt grundsätzlich den Vertragsparteien überlassen. In Betracht die Vereinbarung einer Fixrente oder einer sich dynamisch erhöhenden Rente. Häufig ist im Versicherungsvertrag eine Beitragsbefreiung vereinbart. Danach wird der Versicherte mit dem Eintritt des Versicherungsfalles von seiner Beitragspflicht frei. Dennoch ist er von der Versicherung so zu stellen, wie als hätte er alle im Versicherungszeitraum anfallenden Prämien gezahlt.
Auch, wenn im Versicherungsvertrag überwiegend Pflichten der Versicherung festgelegt sind, gibt es Regeln, an die der Versicherte sich halten muss.
Dem Versicherten obliegt es beispielsweise, den Eintritt der Berufsunfähigkeit bei der Versicherung anzuzeigen, und alle entsprechenden Unterlagen einzureichen. Nur so ist es der Versicherung möglich, den Sachverhalt zu überprüfen.
Außerdem trifft den Versicherungsnehmer trifft die sogenannte Anzeigepflicht. Danach ist der Versicherte schon im Rahmen der Vertragsverhandlungen dazu verpflichtet, alle für den Vertragsschluss relevanten Tatsachen wahrheitsgemäß anzugeben. In der Regel lassen die Versicherungen dem Versicherten zu diesem Zwecke Fragebögen zukommen, die dieser dann Wahrheitsgemäß und vollständig auszufüllen hat.
Fatale Konsequenzen können Falschangaben haben, die der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss tätigt. Gibt der Versicherungsnehmer arglistig beispielsweise ein falsches Einkommen an, um in eine niedrigere Prämienklasse zu rutschen, kommt der Versicherung das Recht zur Arglistanfechtung zu. Die Folge: Der Versicherungsvertrag gilt als von Anfang an nichtig. Die bis zum Zeitpunkt der Anfechtung gezahlten Prämien darf die Versicherung jedoch einbehalten.
Der Versicherung obliegt die Pflicht, sich nach der Prüfung der Unterlagen zu ihrer Leistungspflicht zu äußern. Dabei kann sie ihre Verpflichtung entweder anerkennen, oder sie verweigern. Ein befristetes Anerkenntnis ist nach dem VVG nur einmalig möglich, und bis zum Ablauf der Befristung für die Versicherung bindend. In diesen Fällen bleibt ein Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen. Ein bedingtes Anerkenntnis, welches die Versicherung unter dem Vorbehalt der Verweisung erklärt, ist in der Regel unzulässig. Denn da eine Möglichkeit zur Befristung besteht, gibt es meist kein schutzwürdiges Interesse der Versicherung, das ein Anerkenntnis unter Verweisungsvorbehalt rechtfertigen würde.
Im Rahmen des Versicherungsvertrages kommt der Versicherung ein Verweisungsrecht zu. Gibt es eine Tätigkeit, die der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entspricht, und zu der dieser auch in Anbetracht seiner Ausbildung im Stande ist, kann die Versicherung zunächst auf diese Tätigkeit verweisen. Ist die Verweisung zulässig, besteht keine Leistungspflicht. Neben der sozialen Wertschätzung der Tätigkeit ist auch die Zumutbarkeit einer eventuellen Einkommenseinbuße eines der Parameter, die es bei einer Verweisung stets zu Beachten gilt. Was genau sich noch in den zulässigen Grenzen dieses Verweisungsrechts befindet, ist im Einzelfall oft Anlass zum Konflikt zwischen Versicherungsnehmer und der Versicherung.
Steht die Berufsunfähigkeit bereits objektiv fest, kann sich die Versicherung nur noch mittels eines Nachprüfungsverfahrens von ihrer Leistungspflicht befreien. Diese Möglichkeit gibt es nur, wenn sich Tatsachen so verändert haben, dass eine Leistungspflicht nun nicht mehr besteht. Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens muss die Versicherung darlegen, dass entsprechende Veränderungen eingetreten sind. Dem Versicherungsnehmer kommt insofern eine Beweislastumkehr zu Gute.
Besondere Vorsicht ist im Zusammenhang mit den Ausschlusstatbeständen des Versicherungsvertrages geboten. Denn jede Versicherung kann Fälle festlegen, in denen trotz objektivem Vorliegen einer Berufsunfähigkeit die Leistungsverpflichtung der Versicherung ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Dies ist unter anderem häufig bei einer Berufsunfähigkeit der Fall, die der Versicherte durch eine vorsätzlich begangene Straftat oder Gesundheitsschädigung erleidet.
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